Montag, 7. Juli 2014

I. Niamh - Der Abflug



Wir schrieben den 17.07.2984. Die „Pioneer“, ein Forschungsschiff, das die Aemalonga-Galaxie untersuchen sollte, war seit über einem halben Jahr überfällig, was für das Sternendirektorat Grund genug war, ein weiteres Schiff auszusenden: Uns, die „Endeavor“. Das Schiff war klein, hatte eine lediglich 20-köpfige Besatzung, gehörte aber zu den schnellsten der Flotte.
Seit im Jahre 2412 der Hyperraumantrieb erfunden worden war hatte die Raumfahrt eine ähnlich rasante Entwicklung genommen wie die Luftfahrt in den ersten 100 Jahren nach dem Erstflug der Gebrüder Wright: Wir bereisten mittlerweile nicht mehr nur Sonnensysteme in der eigenen Galaxie, sondern ganze Galaxien. Die Menschheit hatte sich im ganzen Universum ausgebreitet und einige erstaunliche Entdeckungen gemacht: So wurden zum Beispiel alle Science-Fiction-Autoren der Vergangenheit als Phantasten entlarvt, da zwar mannigfaltiges Leben gefunden worden war, bisher aber kein intelligentes.
Die Startvorbereitungen diesmal hatten lang gedauert – länger als bei allen bisherigen Flügen: Unsere Laboratorien waren ausgebaut worden, um Kälteschlafkammern Platz zu machen, da die Reise trotz der „Abkürzung“ über den Hyperraum noch ein halbes Jahr dauern würde, die Einweisung der Brückencrew hatte ebenfalls mehr Zeit in Anspruch genommen als bisher.
Jetzt jedoch war es soweit: Die „Endeavor“ lief auf Auto-Pilot, soeben bestieg als vorletzter der Crew unser Captain ihre Schlafkammer, während ich, die Schiffsärztin, ein letztes Mal gewissenhaft alle Funktionen der Kammern überprüfte, bevor auch ich mich in die Kammer begab.
Während der Nebel mit dem Sedativum die Kammer füllte warf ich einen letzten Blick auf die Ringe des Saturns – dann schlief ich ein.

Wie üblich war mir entsetzlich kalt, als ich erwachte. Mit schweren Gliedern wischte ich die Scheibe der Schlafkammer sauber, sah einen wunderschönen Sternennebel an der Sichtscheibe vorüberziehen und öffnete die Tür der Kammer. Zum Glück hatte der Schiffscomputer die „Endeavor“ gut temperiert, mir wurde schnell wärmer, während ich die Bewegungen in den anderen Schlafkammern wahrnahm und beruhigt feststellte, wie sich in unregelmäßigen Abständen auch die anderen 19 öffneten. Obwohl die Kammern über Elektroimpulse dafür sorgen sollten (und das sicher auch taten), dass die Muskeln sich während der Schlafphase betätigten, fühlten sich meine schrecklich steif an. Das schien im Übrigen nicht nur mir so zu gehen: Fast die Hälfte der Besatzung begab sich ebenso wie ich mit schweren Schritten unter die Duschen, wo wir uns mit warmem Wasser und gegenseitigem Massieren wieder in volle Beweglichkeit versetzten.
Im Umkleideraum kämmte ich meine Haare sorgfältig und schlüpfte dann in meine Uniform, die sich wie eine zweite Haut an meinen Körper schmiegte und sich wie immer so dünn anfühlte, dass sie einem unwissenden Betrachter schlicht nutzlos vorkommen musste: Meine Brüste zeichneten sich durch sie ebenso ab wie meine Schamlippen, allerdings wurde die Funktion des Kleidungsstückes durch darunter getragene Wäsche schwer beeinträchtigt: Sie sorgte nämlich dafür, dass mein Körper seine Normaltemperatur bei allen bisher erlebten Witterungsbedingungen hielt – mir persönlich war körperliches Wohlbefinden wichtiger als Schamgefühl, abgesehen davon war ich mir selbst gegenüber ehrlich genug festzustellen, dass ich es nicht wenig genoss, dass auch die anderen Besatzungsmitglieder in ihren Uniformen beinah nackt aussahen.

Der Umkleideraum leerte sich langsam: Die blau gekleideten Techniker begaben sich in den Maschinenraum, die rot gekleideten Offiziere auf die Brücke, während das in Grün gekleidete medizinisch-wissenschaftliche Team sich auf die Laboratorien und die Krankenstation verteilte. Letztere gehörte mir allein. Bei lediglich 20 Besatzungsmitgliedern stand uns nur ein medizinischer Offizier zu, und der genügte auch: Es dauerte exakt eine Stunde, bis ich alle Computer und Geräte auf ihre Funktion überprüft hatte – dann begann ich mich zu langweilen.

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