Montag, 7. Juli 2014

III. Jenn - Zwillingsplanet



Ich sah auf meine Monitore und traute meinen Augen nicht! Auf beiden bewohnbaren Planeten von Lambda Theta 1 sah ich Anzeichen für Leben – intelligentes! Straßen, Industriekomplexe, die typischen Anzeichen für die Verwendung von Ionenreaktoren, ich maß komplexe Kommunikationssignaturen. Bei einem Seitenblick auf Mac, den Chef-Astronomen, sah ich in seinen Augen den gleichen ungläubigen Blick wie ich ihn selbst zeigen musste.
„Soll ich das nach Hause melden, Mac?“
„Bringt nichts. Die Verzögerung ist selbst über den Hyperraum kaum schneller als wir selbst sein werden. Trag alles in das Log ein und beobachte weiter, ich gehe auf die Brücke und sage das dem Captain.“ Mac verließ das Labor mit einem noch immer ungläubigen Kopfschütteln.

Ich rekalibrierte die Abtaster und hörte – Sprache! Unverkennbar. Und die Sprache war nicht, wie man es hätte erwarten sollen, unverständlich: Ich erkannte englische, deutsche, französische, russische, chinesische und arabische Sprachbrocken, allerdings nicht separiert, sondern gebündelt, als hätte sich eine gemeinsame Sprache aus verschiedenen Ursprüngen entwickelt. Wie war das möglich? Ich betätigte den Communicator.
„Ja, Jenn?“
„Captain – sie können mich aus einer Luftschleuse werfen, aber: Ich bin ganz sicher, da unten wohnen Menschen!“
Es wunderte mich nicht, dass der Lautsprecher für eine Weile verstummt, bevor sich der Captain wieder meldete: „Die Annahme beruht worauf?“
„Kommunikation, Captain! Ich höre da unten, sowohl auf den Planeten selbst wie auch auf Kanälen zwischen den Planeten, nur eine Sprache, aber die enthält Brocken aus den verbreiteten Sprachen der Erde!“
Wieder kurzes, nachdenkliches Schweigen: „Danke, Jenn. Aufzeichnen und eine Syntax aufzeichnen.“ Und nach einem weiteren Schweigen: „Jenn? Wenn wir abgetastet werden – würden die Sensoren das entdecken?“
„Aye, Captain, wenn die eine in der Hinsicht ähnliche Technik wie wir verwenden, schon!“
„Wie wahrscheinlich ist das?“
„Naja – ich entdecke ähnliche Emissionen wie auf von uns bewohnten Planeten, Captain. Sehr gering ist die Wahrscheinlichkeit nicht!“

Während der Computer an der Sprache herum rechnete und der Androide, den wir Frank nannten, sich daran machte, mit seinem hochkomplexen Gehirn einen Translator zu konstruieren, begab ich mich erneut in die Kantine und bestellte aus dem Replikator einen Tee, anschließend setzte ich mich an den Tisch, an dem bereits die Schiffsärztin saß, die mich aus ihren abgrundtiefen grünen Augen aufmerksam musterte.
Wir kannten einander schon, als wir beide noch minderjährig waren, hatten dieselbe Schule besucht, uns auch nicht aus den Augen verloren, als sie Medizin und ich Astrophysik studierte, trafen uns regelmäßig und bewarben uns gleichzeitig für den Dienst in der Flotte. Wir hatten vieles erlebt, manchmal dieselben Männer geliebt, manchmal dieselben Frauen, hatten uns sogar einmal, reichlich angetrunken, einen Mann geteilt. Wir waren sehr, sehr gute Freundinnen.
„Diesen Gesichtsausdruck habe ich zuletzt gesehen, als Du dieses altrusianische Gericht probiert hast!“ Ich erinnerte mich, dieser Eintopf war derart scharf gewesen, dass ich das Gefühl gehabt hatte, meine Speiseröhre würde verätzt.
Ich dachte einen Moment nach: „Was würdest Du denken, wenn Du einen Menschen operierst und feststellst, dass er … ich weiß nicht, zwei Herzen oder drei Nieren hat?“
Niamh lächelte sanft: „Ich würde gucken wie Du im Moment. Also – was ist los?“
„Diese beiden Planeten da unten sind bewohnt.“
„Veralberst Du mich?“ Ihre linke Braue hob sich zu einem amüsierten Grinsen, das aber schnell wieder verschwand. „Nein … Du meinst das im Ernst, oder?“
Ich nickte und nahm einen Schluck meines Tees: „Es sind Menschen.“
„Jetzt veralberst Du mich!“
„Niamh – in deren Sprache taucht Englisch auf! Deutsch. Französisch. Eine Menge bekannter Sprachen mehr! Kein Veralbern!“
Niamh’s Gesichtsausdruck konnte man nur grenzenlos verblüfft nennen. Wir spekulierten eine ganze Weile, wie so etwas möglich war, ohne zu einem Ergebnis zu kommen – alles, was wir für erörterten, konnte sowohl möglich wie auch unmöglich sein. Unterbrochen wurden wir, als uns Frank’s wohl modulierte Stimme darüber in Kenntnis setzte, dass der Translator fertig konstruiert war; gemeinsam machten wir uns auf den Weg.
„Sag mal – hast Du schon mal einen Androiden gehabt?“
„Weder besessen noch für anderes als für die Arbeit benutzt!“ Ich grinste.
„Mich würde das reizen. Dich nicht?“
„Im Moment habe ich wirklich etwas anderes im Kopf als Sex!“
„Bemerkenswert – wie oft ist das in den letzten 15 Jahren vorgekommen?“
Ich stupste sie sanft in die Hüfte und war nicht unglücklich, nicht antworten zu müssen, weil wir in diesem Moment das Astrolab erreichten.

Frank und ich gaben die Konstruktionspläne gemeinsam in den Replikator ein; zumindest ich war mir der Tatsache sehr bewusst, dass uns Niamh genau beobachtete. Obwohl mir unklar war, ob sie sich mehr für mich oder mehr für die unfassbar flüssigen Bewegungen von Frank’s Fingern interessierte spürte ich, wie sich meine Brustwarzen fast schmerzhaft versteiften. Noch ein Gefühl der Unklarheit: Lag es an ihren Blicken oder an der Vorstellung, wie es wäre, die Androidenfinger auf dem Körper zu spüren?
Frank sah mich fragend an – ich nickte, woraufhin er seinen Finger auf den Knopf des Replikators legte: „Computer – zwei … ich korrigiere: Drei Translatoren generieren.“
Im Ausgabefach des Replikators erschienen in einem violett-blauen Schimmer drei metallische Geräte, die sowohl Niamh als auch mich zum Grinsen brachten: Sie sahen aus wie die fast geschlossenen Schamlippen einer Frau, aus denen wie ein Kitzler ein Sensor herausragte.
Während Niamh leise kicherte und ich grinste befestigten wir die Geräte mit einer Art Klett an unseren Uniformen: „Frank – bitte generiere 17 weitere Geräte und verteile sie an die Mannschaft, ja? Ich gebe währenddessen das Programm dieses Gerätes in den Schiffscomputer ein.“
Niamh grinste mich vergnügt an: „Es wäre wohl kein Fehler, dieses Gerät ‚die Lippen‘ zu nennen, oder?“

Es dauerte nur kurze Zeit, bis wir in der Lage waren, die Kommunikation auf den beiden Planeten sowie die zwischen ihnen in fehlerfreier Übersetzung zu verfolgen.
Wir hörten zunächst nichts Ungewöhnliches, Wetterdaten, Nachrichten, Musik …
„Hörst Du das? Diese Musik ist wunderschön, oder?“
Ich nickte stumm und bewegte meinen Finger über die Sensoren, und was wir als nächstes hörten war in der Tat bemerkenswert:
„Rutia, Transportschiff Castor bittet um Landeerlaubnis.“
„Ladung?“
„42 Sklavinnen für das Vergnügungsviertel in Rosilla.“
„Landegenehmigung für Landebucht 7. Führt Eure Fracht danach sofort vor das Ärzteteam.“
Niamh und ich sahen uns ungläubig an, wurden aber schnell aus unserer Erstarrung gerissen, als ein schrilles Pfeifen durch das Labor hallte. Wir wurden geortet.

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